Ja zum Ja

Kürzlich musste ich bemerken, daß Ja-Sagen nicht mehr in ist. In Zeiten des Social Networking, dieser Krake der Freundesfreundesfreundschaften kann man sich zwar über wohldosiertes Speichellecken anbiedern wie eine rollige Katze dem räudigen Straßenkater, hat aber immer noch die Möglichkeit, sich alles andere als wohlgefällig über die Freundesfreunde zu äußern. Man kennt sich ja schließlich – wenn schon nicht persönlich, dann aber über drei Ecken. Social Networking gauckelt soziales Interesse am Leben bekannter Unbekannter vor und will so gar nicht das sein, was es dennoch ist: Namedropping zu ureigenen Zwecken. Was aber passiert, wenn man sowohl so offen ist sein gesponnenes soziales Netz als das zu deklarieren, wozu es eigentlich dient – nämlich sich über Verbindungen Vorteile zu verschaffen – und außerdem noch die Frechheit besitzt, sozialgenetworkten Klatsch und Tratsch in die Segel einzuwickeln, die einen selbst ganz flugs um Nasenlängen vorauseilen lassen? Ein Aufschrei geht durch die Menge, die soziale Posse formuliert moralische Brandbriefe an weitere Freundesfreunde. So geht das ja schließlich nicht, sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Nur: Wer macht das nicht – mehr oder weniger jedenfalls?
Stattdessen bedient man sich eines Konstrukts, das in ungefähr so situationsbiegsam ist wie Freundesfreunde grundsätzlich loyal: der hoch gepriesenen Ehrlichkeit nämlich.
Ehrlich, ich bin nicht ehrlich! Grundsätzlich nicht. Weder zu mir, noch zu anderen. Wieso sollte ich auch? Ich belüge mich gern selbst! Ganz ehrlich!
Möglicherweise liegt es daran, daß ich eine Frau bin. Mir wären die allerschönsten Schmetterlinge im Bauch nicht herumgeflogen, wenn ich augenscheinliche Mängel des Verursachers nicht weg gelogen hätte. Natürlich ist frau hinterher immer schlauer und nimmt sich vor, daß einem so ein Reinfall nicht noch einmal passieren wird, wenn frau das nächste mal nur richtig hinschaut. Ehrlich versprochen!! Sich selbst und der Freundin, die die Tränen trocknet. Was soll ich sagen? Das ehrliche Versprechen ist just in dem Moment hinfällig, in dem ein neuer Mann das Leben und die Betttangente kreuzt. Und ganz ehrlich belügt frau sich dann schon wieder selbst, indem sie festzustellen geneigt ist, daß der Typ ganz bestimmt ganz anders ist als alle anderen Typen vorher. Ehrlich, wirklich jetzt...gaaanz anders!
Nehmen wir aber nur mal an, der Typ wäre wirklich anders - grundsätzlich wie auch speziell. Hat frau erstmal so ein seltenes Exemplar unter Einsatz sämtlicher Kräfte halbwegs domestiziert, dann will sie es natürlich nicht mehr gehen lassen. Dem stammesgeschichlichen Erbe sei Dank, gibt es dafür für dumme Frauen Tränen, Drohungen und schwangere Bäuche. Intelligente Frauen hingegen sind unehrlich. Was solche Frauen anstellen, um Männer zu halten, ohne daß die es mitbekommen, grenzt ans Sagenhafte. Im Wortsinne sogar, erinnert man sich an Zeus´ Hera: zornig, eifersüchtig, intrigant und rachsüchtig – aber nie vor ihrem Göttergatten und nie zu dessen Schaden. Vehement weist die neuzeitliche Hera den Vorwurf der Eifersucht genauso zurück wie sie die Konkurrentin süffisant ins offene Messer laufen lässt. Larmoyant beantwortet sie die Blicke des Angebeteten auf einen anderen Arsch mit Ignoranz und rächt sein Interesse mit vernichtenden Blicken auf die Angestarrte. Offen und freundlich ist sie gegenüber seinen weiblichen Bekannten, um selbige an anderer Stelle mit wohldosierten Informationen an Dritte bloßzustellen.
Der Mann indes bemerkt von alledem gar nichts und darf sich selbst zu einer stressfreien Frau an seiner Seite gratulieren. Die Gretchenfrage also ist: Klappe auf oder Klappe zu? Ja zum Situationsopportunismus oder Ja zum Dauerstress? Oder einfach nur Ja zum Überlegen bevor man den Mund aufmacht?
Allerdings gibt es so Situationen, in denen man als Frau, hält man die Klappe oder überlegt auch nur einen Tick zu lange, ziemlich schnell übervorteilt wird. Man kann unserer Kanzlerin durchaus eine trutschige Art unterstellen, aber sie wäre eben nicht Kanzlerin, hätte sie sich weiter im Schatten von Mount Helmut versteckt und die gegebenen Vorteile ihres sozialen Netzwerkes nicht klug genug genutzt. Man kann Segoléne Royal als geschlechtsopportune Entschuldigung der männerdominierten französischen Linken begreifen oder aber als Frau, die sich eben in dieser Struktur durchzusetzen wusste und am Ende den Vorwurf der Quotenfrau auf ihrem (Wähler-)Konto verbuchen konnte.
Ich für meinen Teil beabsichtige nicht, in nächster Zeit Kanzlerin zu werden und auch die Sparte „Bewerbungen von Frauen und Behinderten werden bei gleicher Eignung bevorzugt“ habe ich für die kommenden 6 Monate erstmal unter meine rosabeherzte Schreibtischunterlage geschoben. Stattdessen habe ich den Club der intelligenten Ja-Sager gegründet. Willkommen sind all diejenigen, die der Meinung sind, daß der Satz „Ich bin eigentlich eine ehrliche Person“ die große Schwester von „Ich lüge ansonsten wie gedruckt “ ist. Denn was ist heutzutage noch opportuner, als Ja zur allumfassenden Ehrlichkeit zu sagen?
Vereinsmotto daher:
„Ich sage Ja, wenns MIR passt!“
truetigger - 12. Jul, 22:20

Ja, ein wunderbarer Artikel. Ganz ehrlich! :)

Lorelei - 12. Jul, 23:30

Ich sage Ja. Fürs erste.

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