Temporär-Misantroph

schlaf1„Es gibt Tage, da gewinnt man und es gibt Tage, da verliert man“ – für mich ist das Rennen häufig schon mit dem Wachwerden gelaufen. Oft nämlich lässt sich der weitere Fortgang des Tages schon vom Bett aus detailgenau voraussagen und immer fängt es mit meinem Wecker an.Das gute Stück hat keine Snooze-Funktion. Mir erschien nämlich beim Kauf wichtiger, allmorgendlich in eine pervers gutgelaunte Loony-Toon-Fresse zu schauen.133270 Also rattert das Ding jeden morgen unfreundlich laut und so lange, bis ich den Ausstellknopf gefunden habe. Keine leichte Aufgabe für mich, die oft unabgeschminkt ins Bett geht und der morgens deshalb die Klüsen von der Wimperntusche so zu gekleistert sind, daß Steve Wonder dagegen Adleraugen hat. Ich MUß aber aufstehen und zwar sofort, sonst treibt mich der Weckton in den Amoklauf, denn selbstredend lässt sich auch die Lautstärke nicht auf ein ohrenfreundliches Dahingezirpe regulieren. Aber das ist egal, so lange nur Tweety das Erste ist, was ich morgens sehe...
Das Zweite, was ich morgens erblicke, ist meine Tochter, die die fürchterliche Angewohnheit hat, sofort nach dem Aufstehen quasseln zu können wie Dieter Thomas Heck. Leider kündigt sie keine Hitparadenlieder an, sondern meistens das Vorhaben wider jeglicher Witterungsbedingungen ein Kleid anziehen zu wollen, welches sie sich schon herausgesucht habe. Indes: mein modisches Feingefühl hat sie nicht geerbt. Und mir persönlich wäre es ja auch fast egal, wenn sie mit einem Ringelshirt zu einem Ringelkleid in Ringelsocken und gelben Gummistiefeln in die Kita möchte, aber ich fand den von ihr herausgesuchten Ringelponcho doch etwas zu warm und nahm dies zum Anlass, mein Kind in ein für mich augenfreundliches und geringfügig dezenteres Outfit zu drängen. Ich rechnete leider nicht mit dem Dickkopf der Person, die von sich selbst steif und fest behauptet, sie wäre eine Prinzessin und ihr unsichtbares Pferd Moni hätte ihr befohlen, heute als wandelnde Farbexplosion in den Morgen zu starten. Widerspruch meinerseits zwecklos, denn außerdem bin ich ja eine „alte Nölzicke“. Der Tag fing also gut an und ich bekam von der imaginären Jury in meinem noch schlafenden Kopf schon mal die ersten 10 Punkte in der „How to become a bad-day-victim“- Kür. olympia_jury
Der Kaffee schmeckte scheiße, das Brot war trocken und der Kräuterquark schon in der Lage, sich über seine Non-Bio-Herkunft zu beschweren. Ich fuhr ihn an, daß er die Klappe halten solle. So schöne rote Punkte bekäme ein Bio-Quark nicht hin und überhaupt könne man mit dem auch keine Kleinkinder steinigen, die nach einer halben Schüssel Cornflakes beschließen, daß sie die ausgesuchte Hose doch nicht anziehen können, weil die so geringelt sei. Mit Eintritt in den Kindergarten änderte sich meine Laune schlagartig, war ich doch schließlich die Plage für 9 Stunden los. Sollen sich doch andere mit der Zicke rumärgern! Meine gute Stimmung hielt exakt 5 Minuten an. Dann begann der Hausmeister der Kita mit einem Schlagbohrer die Wände mit unbeholfener Kinderkunst zu verzieren. Bild_819_0Ich flüchtete und überlegte mir auf dem Weg in die Stadt, was ich schlimmer fand: Schlagbohrmaschinen am Morgen oder Kinderkunst, die man bis zum Erbrechen zu loben hat, obwohl die aussieht wie durch die Mangel gedrehte Beuys-Werke interpretiert von Giovanni Trappatoni: „Isse Malte-Sören, isse schlecht, isse nich Team, isse nich Kunst. Isse Umsetzung wie Flasche leer... Isch ’abe fertig“.
In Beschäftigung mit augenfreundlichen Formgebungen tappte ich weiter Richtung Stadt. Ich registrierte zu spät die vor mir laufenden Korkprofilespandrillos in Pink. Sie erwischten mich daher auf kaltem Fuß und nutzen den Überraschungsmoment insofern, als daß mir die dazugehörige cargobehoste Büffelhüftenkiste nur zufällig auffiel. Ich wunderte mich im Nachhinein etwas darüber, war doch der Arsch wesentlich bemerkenswerter als die Schuhe. Besonders deshalb, weil das Laufverhalten der Treter einen koketten Hüftschwung plus einer neckischen Hosenstoffspannung schuf, die den Schlüpfer in seiner besten, nämlich ausgeleierten, Form offenbarteip032276. Trappatoni hätte sich gefreut: „ Isse schlecht, isse nich Team, isse nich gut. Isse Umsetzung wie Aldi. Gefälltä noch nicht mal Strunz...Isch `abe fertig!“.
Ich bekam wiederum 10 Punkte von der bad-day-Jury für die spontane Unterdrückung eines Mordanschlages Moderatschlages an die blondgesträhnte Prinzessin vor mir, die, so nehme ich an, in Morticias Wohngegend zu ihren Korkomaten an den Füßen noch einen Kinderwagen mit der Genfortsetzung eines Schwarzafrikaners geschoben hätte. Allerdings hatte ich mir die Punkte nicht wirklich redlich verdient, denn ich war vorher in eine Straßenbahn geflüchtet. Dort wurde ich Zeugin eines bahnbrechenden Rekordversuches: startWie viele hundert Menschen braucht es, um das Lebensalter einer zufällig dazu kommenden Person um ein Dreifaches zu unterbieten? Die ca. 60 pickelnäsigen,gut gelaunten Jungstudenten auf dem Weg in die Uni toppten meine 28 Lenze insgesamt leider um drei Monate. Ein durchaus knappes Ergebnis, welches mir aber 10 Punkte Abzug seitens der bad-day-Jury einbrachten. „Verdammt“, dachte ich mir, „Du musst gewinnen. Schließlich winkt als Preis doch eine lebenslange Dosis Phlegmatismus“.
alba Ich war verzweifelt, bis ich SIE sah. SIE war mir sofort so sympathisch wie SARS, Ebola und Guido Westerwelle zusammen. SIE war eine lebende Titte, sie war eine lebende Titte in dünn mit Knackarsch, sie war blond, sie war perfekt gestylt, sie sah GUT aus. . Ich hasste sie vom ersten Augenblick an – das aber mit der Leidenschaft einer ungeschminkten, nicht Augenbrauen-gezupften, unrasierten, schlampig gekleideten, flachbrüstigen Brünetten. Mir war zudem völlig klar, daß Herr Lesof beim Anblick dieser sonnengleichen Schönheit sämtliche eventuellen Gespräche mit mir über das politische Weltgeschehen für ein offensives Gestarre ruhen lassen würde und deshalb fand ich sie gleich noch ein bisschen mehr scheiße. Ihr glockenhelles Lachen kotze ein paar makellose Zähen heraus und mich bewahrte nur der Gedanke, daß Missy höchstwahrscheinlich Zahnseide nach dem Fellatio benutzt, um sämtliches stumpfes Mundgefühl wegzuschmirgeln, davor, ihr nicht die Nummer von Herr Lesof mit den Worten „Er hat was Besseres verdient“ in die Hand zu drücken. Dies wiederum brachte meine bad-day-Jury-Konto wieder in einen Bereich, der die Hoffnung auf den Phlegmathismuspreis wieder real erscheinen ließ. Doch nun stand mir die Kür bevor: Einkaufen. Da der Tag bis dahin so grandios verlaufen war, kam ich ernstlich in die Überlegung, mir statt einer zwei Flaschen Wein kaufen zu wollenbook113t-a. Ich traute mich nicht. Es war erst neun Uhr morgens und ich hatte einige Befürchtungen, daß das Toast, die Dose Ravioli und zwei Flaschen Wein auf dem Kassenband eventuell vermuten lassen würden, ich hätte ein Alkoholproblem. Also tauschte ich die zwei Flaschen gegen eine teure um, damit auch jeder sehen konnte, daß ich einem geschmacklich guten ABEND entgegensteuerte. Ich ärgerte mich dennoch über mich und bekam dafür 20 Punkte von der Jury. Wenigstens wurde mir die Wartezeit an der Kasse von einem vor mir stehenden Rentner versüßt, der seine Bildzeitung bezahlen wollte. Die XXXL-Überschrift verwirrte mich nachhaltig: „Pro Satan“ stand da geschrieben und in Gedanken gratulierte ich der wandelnden Leiche vor mir schon für seine Beschäftigung mit seinem Leben nach dem Tod. Ich hatte mich verlesen. Statt einem bundesweiten Aufruf für die Anerkennung von Minderheiten, die sich kulturwissenschaftlich mit gehörnten Pferdefüßlern beschäftigen, hatte der Artikel irgendwas mit der Prostata zu tun. Und nun wurde mir auch wesentlich klarer, weshalb sich der nahe vor der Selbstkompostierung stehende männliche Mitbürger die „BILD“ungszeitung schlechthin kaufen wollte. Ich erhielt 10 Punkte auf dem Doofheitskonto der Jury.
Als ich zu Hause ankam, wurde ich von lautstarkem Miauen empfangen. unbenannt1Ich versuchte es didaktisch: „Liebe Katze“, sprach ich in einem Singsangton, der vermuten ließ, daß ich nur um haaresbreite vor einer Explosion stand, „Liebe Katze, halte bitte dein Maul, begib dich zur Fressstation und nehme dein Trockenfutter ein. Begib dich direkt dorthin, bettle nicht um Nassfutter, sonst ziehst du dir n Tritt von mir ein. Ich weise dich außerdem daraufhin, daß ich dich aus Mitleid vor 11 Jahren bei mir aufgenommen habe, sonst wärst du nämlich an der Wand gelandet, weil deine räudige Mutter ihre Beine nicht zusammenhalten konnte und es ja unbedingt mit dem Kater eine stadtbekannten Nazis treiben musste (siehe Bild rechts). Du befindest dich also dank deines Vaters in einem Resozialisierungsprogramm und wenn du jemals wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen werden willst, dann rate ich dir, dich entsprechend zu benehmen...“ Er ignorierte mich und kotzte sein Trockenfutter auf den Teppich – absichtlich versteht sich.
shiningIch gab auf. Die Jury-Punkte waren mir egal. Ich steckte mir Kerzen in die Ohren und stellte mir während des Meditierens vor, was ich jetzt alles tun könnte, wenn ich dem Gärtner vom Straßenbauamt draußen vor der Tür nur die Laubsäge geklaut hätte
truetigger - 15. Jun, 22:24

Einfache Lösung:

Tweety in den Mistkübel hauen, diesen hier statt dessen installieren und morgen, wenn der blöde Hahn um 5.30 das Wochenende krakelend ankündigt wirst Du in einen Tag voll Friede, Freude, Eierkuchen schlittern:


lesof - 16. Jun, 23:39

tigger,

das geht so einfach nicht. der sieht mir auch nicht nach snooze-funktion aus...
zoeee - 16. Jun, 10:05

sagst du nächstes mal bitte bescheid, bevor du so einen kerzenlink setzt? eine kleine warnung? ich kann jetzt leider nicht mehr schreiben, was ich schreiben wollte, weil ich kaffee aufwischen muss - und fertiglachen!

lesof - 16. Jun, 11:31

nein! keinesfalls! und seit ích die benutze, sehe ich übrigens nicht nur um längen bescheuerter aus als oben erwähnte korkespandrillo-maus, NEIN!!! ich bin auch wesentlich relaxter und singe häufiger - z.b das thema aus der "psycho"-duschszene...

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Naja, die kommentare lese ich meist eher nicht so....
kraM - 12. Jun, 16:05

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