fußballausflug

hbf. nürnberg,raus ausm zug und kurzzeitiges überrannt werden von x-tausend leuten in lustigen verkleidungen, db-personal mit weisungsschildern und einer grundsätzlich guten stimmung, die selbst mich anfängt zu begeistern und ich bin ja eher nicht so der typ für externalisiertes rumgefreue. wir müssen quer durch den bahnhof zum "regionalbähnchen" das uns zum stadion bringen soll. prompt frage ich mich, wieso hier so viele leute mit nem ghana-trikot,fahnen etc. rumlaufen, bis mir einfällt, daß die ja heute gegen die usa spielen. glücklicherweise äußere ich diese überlegung nicht laut...
wir kommen an und haben einen kleineren fußmarsch vor uns, den ich genieße, weil es so unwahrscheinlich viel zu sehen gibt an menschen und typen. dann stehen wir auf dem reichsparteitagsgelände, an das sich das stadion anschließt. ich war vor jahren schon mal da, muß aber die häßlichkeit der umgebung verdrängt haben, denn anders erklärt sich mir nicht, warum ich dieses gelände, diese potthäßliche protz und trutz-waschbeton-architektur überhaupt noch auf mich wirken lassen konnte. die dazwischen flanierenden fans - das bunte, lebendige, leichte - paßten nämlich so gar nicht zum rest. indes: ein schöner stilbruch, denn anders hätte dieses gelände in gänze seine mächtigkeit, bedrückenden art spielen lassen können.
das ticket kostet auf dem schwarzmarkt übrigends um die 500 euro, die amis versauen die preise-sagt der schöne mann. und wünscht sich, daß ihm jemand ein ticket schenkt.
wir gehen weiter in richtung public-viewing-area, an einem künstlichen teich entlang, der vor der kongreßhalle des reichsparteitagsgeländes liegt, dann an ihr selbst vorbei. ich finde es schön aber auch eigenartig zu sehen, wie deutlich ausstaffierte fußball-fans die treppe zur ausstellung in der kongreßhalle hoch und runter laufen und denke mir: "gut, daß die gleich noch einen bildungsurlaub machen" - und das meine ich ernst.
ein stand und eine frau, die mich fragt, ob ich auch gegen zwangsprostitution unterschreiben will. ich sage "och nee, die müssen doch auch ihr geld verdienen". der schöne mann lacht, wird rot und ich frage ihn, ob ich ihm jetzt peinlich war. "ja" sagt er. "ich bin aber so" sag ich und denke mir: "aber eigentlich auch nur, wenns mir saugut geht."
ein bißchen verdropst davon, daß er mich peinlich fand, steh ich an einer ampel und kaue nachdenklich auf einem kondom rum, daß wir gerade von der aids-hilfe in die hand gedrückt bekommen haben. wir stehen dabei an einer ampel, mir gegenüber amerikaner. "oh, how gorgeous, she has a tattoo on her t... sehr laaaaaaange pause....... an she´s chewing on a condom". ich hoffe inständig, daß ich nur halb so billig und willig gewirkt habe, wie er es lautstark vermeinen ließ. andererseits: wenns dabei hilft, das german-frollein-klischee ad absurdum zu führen, bitte schön...
wir kommen in der public-viewing-area an: auf dem gelände, auf dem vor über 60 jahren "uns addi" seine kohorten zu fackeln und dem horst-wessel-lied flanieren ließ und das jetzt bevölkert ist von "negern" mit ihren "hottentottentänzen", "amerikanischen kapitalisten" und anderem "nichtarischen" geblüt.
es trommelt und das dunkelbunte volk tanzt und lebt und ich will auch und kann nicht.
das spiel beginnt. mir fiel vorher schon auf, daß die art, den eigenen enthusiasmus zu leben unterschiedlich ist zwischen ghanaen und amerikanern. deutlich wird dies, als die hymnen gespielt werden. weder in der area, noch im stadion singt eine bemerkenswerte masse die ghanaische nationalhymne. anders die amis: zusätzlich zum geplärre in der area kotzt die großbildleinwand pathos aus: ein nett geschminktes usa-kind vor dem star-sprangled-banner. ich denke, daß es eigentlich scheißegal ist, wo und wie diese hymnegespielt wird, sie wirkt IMMER unangenehm aufdringlich. ich beschließe, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern mich auf das anstehende spiel zu konzentrieren und lasse auch den deutschen nazi, der sinnigerweise zwischen ghanaen und amerikanern steht,links liegen.
ich hätte mich vorbereiten sollen, schießt es mir durch den kopf, denn ich kann weder verpaßte torchancen noch tore an sich bewerten und einschätzen, was mich kirre macht. "ganz schön verkopft, was?", fragt der schöne mann, den ich wortlos ansehe und mir denke: "du hast gar keine ahnung,wie sehr..." ich ärgere mich nämlich maßlos über mich, weil es eigentlich egal ist, ob ich von dem spiel etwas verstehe oder eben nicht. ich müsste mich nur fallenlassen in die situation um mich herum -und kanns nicht. lieber gar nichts machen und nichts verpassen, was mir die feinheiten des fußballs von selbst erklärt und dazu führt, niemanden fragen zu müssen.
im verlauf des spiels werden die amerikaner berechtigterweise immer kleinlauter und ich beschließe,mir doch kein usa-trikot zu kaufen (stylishe hintergründe!!!). gelb stünde mir schließlich auch ganz gut. das ende naht und damit der abpfiff, der zum anpfiff für das offizielle jubeln werden wird. so ist es dann auch.um mich herum schreit es, springt es - ist es aktiv. nur die kleine lesof steht inmitten der lebenden masse wie ein fels in der brandung: jubelt nicht, schreit nicht, springt nicht, bewegt sich keinen millimeter und sagt kein wort. nicht, weil sie sich nicht freuen würde -ganz im gegenteil, das tut sie. sehr sogar und zwar an den menschen um sie herum. und dann ärgert sie sich über ihre verpaßte "torchance", darüber, daß sie das nicht kann, haltung bewahrt wie immer, wenn es völlig unnötig ist.
wir bleiben noch ein bißchen und landen in einem pulk tanzender ghanaen. dazwischen ragt ein deutscher hühne hervor, der gänzlich konträr zum deutschen beeing das geschehen um ihn herum so derart genießen kann, daß ihm die freude daran versinnbildlicht aus den augen strahlt wie zwei leuchturmlichter. black-mommies dazu, die kinder auf den schulter, auf dem bauch, auf dem rücken - tanzend. schön.
wir tanzen auch - ein wenig nur, denn wir müssen zurück zum zug. schimpfen beide, daß wir nicht bleiben können. haben noch 1,5 stunden zeit, die er damit verbringen wird, seine reportage zu schreiben. um acht ist deadline. also suchen wir ein café mit ner steckdose für seinen laptop und landen in einem eiscafé in der einkaufspassage nürnbergs.
auch das genieße ich, obwohl ich mittlerweile hundemüde bin: wie er schreibt und ganz woanders ist und ich daneben sitzen kann, mit nem cappuccino, ner kippe und meinen füßen auf dem stuhl gegenüber. daß wir nicht reden können jetzt und nicht müssen, daß die stunde schweigen nicht langweilig ist, sondern schön.
wir gehen und draußen sagt er mit einer suchenden hand backyards "wie war das mit dem arschtaschenlaufduett?" ich lache: "da sind keine taschen an der hose..."
der zug kommt und wir finden tatsächlich zwei plätze nebeneinander, schauen uns die fotos, die er heute gemacht hat, auf dem laptop an.ein zufallsbild verrät mein dabeisein: ich bin deutlich im hintergrund zu erkennen. das geht nicht. also bemühen wir den fotoshop, schneiden meinen kopf aus und doppeln ihn mit dem kopf der frau in meinem vordergrund. wir lachen und nennen das machwerk "mutter und tochter". (hinten neben der frau im ghana-shirt)
später legt er meinen kopf, den er vorher beschnitt, seiner existenz beraubte, auf seine brust. ich rolle mich zusammen auf ihm und fühle mich wohl.
lesof - 23. Jun, 17:06
Ansonsten scheint so ein WM-Ausflug ne beeindruckende Sache zu sein. Ich finde die Eindrücke die du wiedergibts ... ja, spannend und schön "undeutsch". Vielleicht tut die WM ja auch Deutschland ansich gut. Wird sich zeigen.
"Gedankenverloren" an nem Kondom zu lutschen ... schönes "Bild".
weils gut zu der einen Stelle in deinem Posting passt. many years back.
Ich und Sie an der Bierbude bei nem großen Konzert. Viele Leute hinter uns, um ums rum.
Zapfer schieben uns die Getränke zu.
Ich: "Lass stecken, ich bezahl!"
Sie (gekünstelt, überlaut): "Das will ich auch hoffen, du darfst mich ja auch f*****"
Einer der wenigen Momente in meinem Leben wo ich nix zu erwidern wußte ... außer lachen.
@behave II
auch schön folgende story:
ich hatte meine letzte magisterklausur, erschien vor dem prüfungsraum und niemand war da. ich in panik durch die halbe stadt zum prüfungsamt, wo die liste mit den klausurräumen aushing. sehe, daß ich tatsächlich völlig falsch war und die straße nicht kenne,wo die klausur stattfinden soll. renne wieder nach hause, weil dort ein stadtplan ist. in meinem bett liegt das berlin-desaster: "was machst´n du hier?", ich erklär ihm kurz, was los ist, bin völlig in panik, heule und bin total naßgeschwitzt. er: "nu zieh dich doch erstmal aus..."
ich: "ich will jetzt nicht f*****"
Das "Berlin-Desaster" hat aber schon auch die Ruhe weg.
@behave