"die wahrheit ist dem menschen zumutbar",

schrieb einst die bachmann. und die meinhof strikte einen tollen artikel daraus - in ihrer eigenen perspektive von wahrheit.
kürzlich hatte ich mit t. ein tolles gepräch über authentizität - der eigenen beim treffen von unbekannten menschen. man neigt ja dann wohl schnell dazu, sich selbst zu kategorisieren: ich bin der und der, ich mache das und das. die t.ist da mittlerweile reichlich schweigsamer geworden über ihr "beeing" -ich weniger. die gründe dafür sind vielfältiger, als ich es an dieser stelle auszuführen möchte und kann. sagen wir mal so: studium zu ende, neuer abschnitt im leben,allein mit kind und damit verbunden der drang, bloß nicht in die kategorie "allein mit kind und völlig frustriert" eingeordnet zu werden (nebst des umstandes, daß ich erwähnen möchte, daß ich nicht ausschließlich mutter bin und für mein kind lebe).
das ist ja eigentlich meine wahrheit und sie ist damit jeden zumutbar. aber mittlerweile denke ich, daß es gar nicht darum geht, daß nicht meine form von authentizität ist (und damit gebe ich der t. recht).als ich nämlich heute morgen aufgestanden bin und wirklich scheiße aussah, habe ich beschlossen, daß es noch eine andere zumutbare wahrheit gibt - nämlich die meines gesichtes. und das schöne an diesem ist, daß darin verdammt viele wahrheiten über mich stecken. die heißgehaßliebte labialfalte über der nasenwurzel ist je nach befinden tiefer als der mariannengraben oder aber auch nur leicht zu sehen, meine tricoloraugen strahlen je nach wetterlage und befinden entweder in grün oder in pfützendreckig und meine lachfalten um die mundwinkel kann ich mittlerweile so unkontrolliert in szene setzen, daß selbst das allerfalscheste lächeln echt wirkt (es geht natürlich und auch viel häufiger auch anders herum) und meine nase verrät am ehesten irgendeine wahrheit.die fängt zum beispiel an, schweißperlen zu bilden, wenn ich nervös bin, während ich die ganze situation aber zugleich mit meiner mir eigenen art von schnodderigkeit verdecken kann.
kurzum: mein gesicht lügt nie, egal was ich zugleich verbal von mir gebe oder unter wieviel tonnen von makeup und durchgestylten klamotten ich mich verstecken möchte. und darum: wenn ich nächsthin früh aufstehe und mein gesicht mir schon sagt, daß ich mich nicht so toll fühle, noch bevor ich überhaupt den grund für mein unwohlsein lokalisieren kann, benennen kann, werde ich den menschen mein "wahres gesicht" zumuten -weil es zumutbar ist.
kürzlich sagte die t.mitten in einem gespräch, in meinen monolog über etwas, daß mich sehr beschäftigte und was demnach zu reichlich stirnrunzeln auf meinem gesicht führte: "du siehst gerade sehr schön aus, wie du die stirn runzelst" sie hat mich damit so sehr ausgenockt, daß der eigentliche inhalt dieses satzes gerade erst bei mir ankam. ich bin und kann schön sein,wenn man mir meine sorgen ansieht.
der flo hat mir die falten auf der stirn immer mit den fingern weggestrichen. "schau nicht so böse" hat er dann gesagt und das thema gewechselt - damit ich wieder schön AUSSEHE...
Erizo Erizado - 23. Feb, 18:16

Also optische Wahrheiten sind den Menschen schon "ungeschminkt" zuzumuten. Naja, außer vielleicht karierte Schlafanzüge, aharharhar! (Gut das C. nicht mitliest ;-)

Wahrheit im Sinne von Einsicht in die Realität ist allerdings nur selektiv zumutbar, je nach Gemütslage oder Wahrnehmung des Gegenübers. Denn wenn die Wahrnehmung einer Person der Realität um 180° entgegensteht wirds sehr schwierig mit der Vermittlung von Fakten...

lesof - 23. Feb, 19:32

wieso - karierte schlafanzüge sind doch was feines. hab ich auch!
was ich eigentlich wollte: man kann immer und zu jedem (un)passenden zeitpunkt ehrlich gegenüber jmd. sein, allerdings ist man es dann nur wirklich, wenn man zu sich selbst ehrlich ist - und das fängt ganz lapidar mit dem eigenen gesicht am frühen morgen an und hört da auf, wo man geäußerte vorwürfe an sich selbst prüft. ich meine das NICHT auf eine uns dreien bekannte geschichte bezogen, sondern ganz genuin. viele vorwürfe an das gegenüber verlieren nämlich an schärfe, wenn man sich bewußt macht, daß man unter anderen umständen evtl. genau das gleiche an den kopf geschmissen bekommen KÖNNTE. der mensch lebt halt reflexiv. alles was du tust oder auch unterläßt hat auswirkungen auf irgend jemanden, im schlimmsten fall dann im näheren umkreis. und das sollte man sich bewußt machen.
Erizo Erizado - 23. Feb, 19:59

wieso uns Dreien? Ich seh hier nur zwei Leute...

Das Vorwürfe an Schärfe verlieren wenn die vorwerfende Person sich klar machen würde in entsprechenden Situationen selber so zu reagieren ist nur allzu richtig. Allerdings sind nicht alle Menschen mit soviel Emphatie (berichtige mich wenns falsch geschrieben ist) ausgestattet.

Ich nehme doch stark an das wir uns in einer rein theoretischen Diskussion befinden...
lesof - 24. Feb, 14:51

natürlich befinden wir uns auf der theoretischen ebene.
aber eigentlich ging es in dem text auch gar nicht um verbalisierte wahrheiten bzw. den bezug dazu. ich sag dir ganz ehrlich, daß ich keinerlei probleme damit habe, von 9 uhr früh bis abends um 12 pseudowahrheiten zu verbreiten ("ach, siehst du wieder gut aus", "natürlich freu ich mich..." etc. und wesentlich schlimmer). es ging darum, daß ich selbst ein problem mit meiner mir eigenen wahrheit meines daseins habe.ich nehm mich zu wenig wahr - so wie ich bin - ich funktioniere, kategorisiere mich und werde kategorisiert. und so etwas nimmt man evtl.in manchen situationen mit nach hause und dann fragt man sich eben, ob die bilder noch stimmen.
aber darum gehts ja nicht. es soll mir egal sein, was für ein bild xy über mich hat und ebenso unnotwendig ist es, dieser bildermacherei noch futter zu liefern,indem ich mich sozialkonform verhalte (z.B. wenn ich im rock rumlatsche,obwohlich eher bock auf ne jogginghose habe). ich hab zu teenagerzeiten so wenig auf solchen shit gegeben - und jetzt? steck ich voll drin und weiß gar nicht mehr, wer ich jetzt eigentlich noch bin. im moment eher nur die schablone irgendeiner pseudo-erwartungshaltung (an mich als mutter,als dr.phil in spe,als exfreundin und und und). und das nervt enorm.wenngleich es genauso viel kraft kostet, tatsächlich in jogginghose draußen rumzulaufen. da ich den jogginghosenkraftakt nicht auf mich nehmen will (ein hoch der bequemlichkeit), muß ich eine andere form finden. und die wird zukünftig sein, daß ich eine scheiß draufgebe, mir eine maske zu malen oder zu meißeln,nur damit mir keiner sagt: "was ist los, warum siehst du so scheiße aus?"
Titania Carthaga - 24. Feb, 15:01

Selbstreflexion

ist nun nicht jedermanns oder -fraus Sache, Madame.
Weil sie bisweilen ganz schön bitter sein kann. Doch nur der hat die Chance auf Weisheit, der diesen Schmerz nicht nur erträgt, sondern w i l l. Weil hinter dem Schmerz tiefere Erkenntnis des Allgemeinen schlummert. Der Umweg über das Selbst aber muss gegangen werden, sonst sind Erkenntnisse nur Platitüden.

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